Das kleine Freibad  - Freundschaft in Gefahr

Nach diesem langen harten Winter schien der Frühling endlich die Oberhand zu gewinnen. So schön das herumtollen im Schnee auch war, ich freute mich nun schon wieder auf die Freuden der warmen Jahreszeiten. Und wenn es nur das mit dem Fahrrad zur Schule fahren war.  gerade dienstags war das praktisch, denn dann hatten Anna und ich die 5. Und 6. Stunde frei bevor es in der 7. Und 8. Mit Hauswirtschaftslehre weiter ging. Eigentlich fand ich das immer cool, denn zum Ende der Stunde dürften wir das was wir gekocht hatten auch aufessen. Wenn wir mit dem Bus fuhren, saßen wir dann in der Regel in der Schule mehr oder weniger fest. So konnten wir wenigstens mit den Rädern in die Stadt fahren und mal ein Eis essen oder so. genau das taten wir an diesem schönen Frühlingstag auch.

Gerade wollten wir bestellen, da setzten sich 2 vertraute Gesichter mit an den Tisch. Es waren die Zwillinge Tessa und Vanessa. Wir hatten die Beiden den ganzen Tag nicht in der Schule gesehen. Warum das wurde mir schlagartig klar, als Tessa grinsend sagte: „Na schwänzt ihr auch?“ schließlich lud ich die beiden Schwänzerinnen ein, sich zu uns zu setzen. Während wir unser Eis löffelten erfuhren wir von den Beiden, dass sie ins Freibad wollten. Ich wusste zwar dass in dem genannten Ort ein Freibad war, bin dort allerdings bis zu diesem Tag noch nie gewesen. „das ist zwar klein, aber ganz toll“ sagte Vanessa. Das machte mich schon irgendwie neugierig. Schließlich fasste ich den Entschluss, mit den Beiden mitzukommen. Anna war davon alles andere als begeistert. Aber alleine zurück zur Schule wollte sie auch nicht. Also kam auch sie mit uns. Blieb nur noch das Problem, dass wir keine Badesachen dabei hatten. Aber auch dafür fand sich schnell eine Lösung.

Anna kam mit mir nach Hause um sich dort aus meinen zahlreichen Bikinis etwas auszusuchen. Zielsicher griff sie sich meinen blauen Bustierbikini, und die weißen Shorts, die ich immer zum Sport trug. „du weißt schon, dass die transparent werden, wenn sie nass sind?“ fragte ich sie. Anna begann zu grinsen. „hab dich doch schon damit duschen gesehen“ sie spielte darauf an, dass ich es pflegte, nach dem Sport direkt in Bikini und Shorts zu duschen um die Klamotten so gleich sauber zu machen. Als Anna dann sah, dass ich mir einen weißen Triangel mit roten Bändchen einpackte, wurde sie richtig neidisch. Normalerweise hätte ich ihr das gute Stück überlassen, aber diesen hatte ich brandneu und abgesehen von der Anprobe noch nie angehabt.

Wir packten noch Handtücher ein. Dann tat ich noch eine kleine Glanznylonregenjacke zum Hineinschlüpfen in meinen Rucksack. Oben war sie rot unten dunkelblau. Ich rechnete zwar nicht damit, dass es regnen würde, wohl aber dass es kühl werden könnte, besonders wenn wir aus dem Wasser kamen. Anna nahm sich für diesen Fall noch einen dünnen Pullover von mir mit. Dann machten wir uns auf den Weg. Schließlich war Eile geboten, denn die Zwillinge waren bestimmt schon längst im Schwimmbad.

Dachten wir jedenfalls. Auf unserem Weg von mir zuhause zum Schwimmbad kamen trafen wir die Beiden wieder. An dem Gasverteilerhäuschen, wo der Radweg in den Wald mündete war die Hölle los. Ein riesiger Tanklastwagen stand da, außerdem einige Autos von den Gaswerken und von der Stadt. Wie wir dann ganz schnell erfuhren, war eine Hochdruckgasleitung geborsten. Der Tanklastwagen diente übrigens nur dazu, das örtliche Gas Netz zu versorgen, solange die Reparaturarbeiten andauerten. Ich fand das beeindruckend, wie viel Aufwand das Gaswerk trieb um eine lückenlose Versorgung zu gewährleisten.

Während sich die meisten der Herren also um den Druck in der Gasleitung kümmerten, war einer der Herren damit beschäftigt sich um den Druck in Vanessas Vorderrad zu kümmern. Ein paarhundert Meter weiter vorne hatte sie sich eine Scherbe in den Reifen gefahren. Natürlich hatten weder Tessa noch Vanessa Flickzeug, geschweige denn eine Luftpumpe dabei. Anna und ich ehrlich gestanden auch nicht. Da war es natürlich ein Riesen Glücksfall, dass die Herren vom Gaswerk da waren und noch mehr, dass einer von ihnen passionierter Radfahrer war. in dem Servicetransporter der Gaswerke hatte er tatsächlich sein Fahrrad dabei. Wie wir erfuhren, fuhr er gerne noch mal nach Feierabend ein paar Runden durch die Umgebung.  Ich fand das immer wieder faszinierend wie viel Glück die Beiden hatten. Dumm waren sie eigentlich nicht. Aber wenn an dem Spruch vom Glück und den Dummen nach gehen würde, hätten sie eigentlich zu dumm sein müssen, bis 3 zu zählen. 

In dem Freibad hatten wir unsren Spaß. Wie Tessa schon gesagt hatte, war es in der Tat sehr klein. Das Becken war kaum länger als das vom Aquarena, einem Hallenbad in der Nachbarschaft breit. Trotzdem gab es alles, was ein gutes Freibad brauchte. Liegewiese, Kiosk, Tischtennisplatte… sogar eine Wasserrutsche war vorhanden. Wenn auch nur eine halbautomatische. Halbautomatisch, das hieß in diesem Falle dass neben der Rutsche, nebenbei bemerkt eine normale Sandkastenrutsche, ein Eimer stand, mit dem man Wasser aus dem Becken schöpfen und in die Rinne gießen konnte. natürlich haben wir gleich entdeckt, dass sich mit dem Eimer auch wunderbar „Anna-Nass“ spielen ließ.

Das einzige was ich ein wenig vermisste waren Spinte für die Klamotten. Aber das Bad war so klein und übersichtlich, da würde schon nichts wegkommen. Die meisten der wenigen Gäste die da waren, hatten ihre Rucksäcke mit auf die Liegewiese genommen. manche hatten sie an die Wand vom Kiosk gestellt, der auch gleichzeitig als Kasse diente. Wir machten das auch so.

Wir hatten jede Menge Spaß. Mit ihrer Theorie über die weißen Shorts hatte Anna natürlich recht behalten. Nicht nur ich, auch einige Jungs konnten offenbar ihre Augen nicht abwenden. Anna jedenfalls schien es zu genießen. Was mich etwas wunderte, war dass Anna offenbar nicht die einzige war, die im Bad mit Shorts herum lief. Ein kleines Mädchen, vielleicht 10 Jahre alt, trug ebenfalls welche. Ihre weiten schwarzen Schlabbershorts reichten bis weit über die Knie. Dazu hatte sie ein hellblaues Bustier von H.I.S. an optisch war es Jeansstoff nachempfunden. Ich zeigte es Anna und fragte sie: „hat deine Schwester nicht auch so einen Bikini?“ in dem Moment erschrak Anna.

„Scheiße! Wie spät ist es?“ fragte sie mich. „halb fünf“ wieso? Fragte ich. Dann gestand mir Anna, dass sie ja eigentlich auf ihre kranke Schwester Jenny aufpassen sollte, während ihre Mama auf der Mittagsschicht war. das hieß natürlich für uns Aufbruch. In Windeseile zogen Anna und ich uns an. als ich dann in meinen Rucksack griff um mir mein Jäckchen herauszuholen war es weg. Ich dachte zunächst, dass Anna, die sich in der Nachbarkabine am Umziehen war das Teil gemopst hatte, aber sie sagte nur „Welche Jacke?“ mir blieb das Herz fast stehen. Dann die Überraschung. Anna hatte die Jacke doch gemopst und angezogen. aber nicht irgendwie sondern sie hatte den Saum unter den Achseln zusammen gebunden, so dass ein bauchfreies Kurzjäckchen entstand.

Am liebsten hätte ich Anna erwürgt. Aber sie sah darin einfach zu sexy aus. „Das ist die Rache fürs Anna-Nass Spielen“ sagte sie grinsend. Dass es nicht ernst gemeint war, erkannte ich an ihrem Gesichtsausdruck. Auch der Kommentar „du kannst dir die Jacke nachher wieder holen“ ließ auf bestimmte Absichten schließen. Für den Heimweg empfohlen uns die Zwillinge eine ihrer berühmten Abkürzungen. Als Tessa sagte: „das kann ein bisschen holperig werden“ rechnete ich schon mit dem Schlimmsten. aber der Feldweg war recht gut in Schuss.

Wir waren fast schon unten im Tal, als wir eine kleine Überraschung erlebten. Die Abkürzung der Zwillinge führte uns genau an die beschädigte Stelle der Gasleitung. Blöderweise stand der Tieflader mit dem großen Bagger der das defekte Rohr freigelegt hatte mitten auf dem Radweg, so dass wir genötigt waren abzusteigen. So genau hatte ich gar nicht darauf geachtet. Jedenfalls sprach uns, als wir gerade dabei waren unsere Räder an der Engstelle vorbeizuschieben der junge Gasmann an, den wir schon am Mittag am anderen Ende der Leitung getroffen haben. Als er die Jacke sah, die Anna an hatte sagte er nur: „coole Jacke, so eine ähnliche hab ich auch“ Vanessa passte das überhaupt nicht. Offensichtlich hatte sie sich verknallt. Ich musste kichern.

Auf dem weiteren Weg zu Anna machte ich mir so ein Wenig meine Gedanken darüber, was das wohl für eine Jacke sein konnte. die der Gasmann erwähnt hatte. Letztendlich kam ich zu dem Schluss, dass es wohl irgendeine Nylonregenjacke gewesen sein musste. Die Gedanken daran wurden auch schnell von der Situation die ich bei Anna vorfand verdrängt. Jenny schien es überraschend gut zu gehen. Das ließ uns auf einen entspannten Abend hoffen. Jedenfalls bis Jenny plötzlich zu uns ins Wohnzimmer kam und wie selbstverständlich sagte: „Tschüss ich geh dann mal“ was sie an hatte, regte nicht nur Anna auf. Zu einem sehr kurzen Jeansminirock trug sie meine Regenjacke. Und das genauso wie Anna es ihr praktisch vorgemacht hatte.

Ich fand schon, dass es sehr sexy aussah, wollte aber lieber nichts sagen, um Jenny nicht zu bestärken. Als Anna dann fragte wo Jenny hin wollte, und diese dann wie selbstverständlich sagte „mit Tim in die Factory“ platzte Anna der Kragen. Ich ging lieber in Deckung. Alles bekam ich nicht mit, nur dass Jenny offenbar versucht hatte, Anna damit zu erpressen, dass sie ihrer Mama sagen würde, dass Anna im Schwimmbad statt in der Schule war.  woher sie das gewusst haben wollte, wusste ich nicht. Was mir jedoch klar war, dass auf diese Weise weder Anna noch Jenny gewinnen konnten. Also überredete ich Anna, doch noch mal mit Jenny zu reden. „komm ihr ein Bisschen entgegen“ schlug ich vor.

Anna ging also zu Jenny, zuerst wurde es noch einmal etwas laut. Dann war plötzlich ruhe. Als ich Anna fragte, welchen Trick sie angewandt hatte, sagte sie: „ich hab ihr erlaubt zu gehen, wenn sie bis zehn zuhause ist“ da ihre Mama erst um halb elf nach Hause kam, sollte das nach ihrer Meinung reichen. Ich hielt das für genau die falsche Idee und sagte ihr das auch. Wohl etwas zu deutlich. „aber du hast doch gesagt, ich soll ihr entgegenkommen“ meckerte Anna. An dem Punkt war mir klar, dass ich besser gehen würde. als ich dann meine Jacke suchte, war die auch weg. Jenny musste sie mitgenommen haben. Als ich Anna fragte sagte sie: „die hab ich Jenny geliehen geschieht dir recht“

Mir blieb nur zu hoffen, dass Jenny auch pünktlich zurück war und am nächsten Morgen alles wieder gut. Leider ein Trugschluss. Als ich Anna für den Weg zur Schule abholen wollte, war sie schon weg. In der Schule redete sie kaum ein Wort mit mir. Das einzige was sie zu mir sagte war „da hast du deine Jacke wieder, alte Petze“ ich fragte noch, was das sollte, aber Anna wollte nicht mit mir reden. Auch aus Jenny war nicht mehr heraus zu bekommen. Deswegen blieb mir nur eines über. Ich wendete mich an die Mama von den Beiden um zu erfahren was passiert war.

„ich hab meine kleine in der Factory erwischt und um 9 abgeholt“ erzählte sie. Mir war klar, dass das für die Beiden jede Menge Ärger gesetzt hatte. Womit ich nicht rechnete war dass der Zusammenhalt zwischen Anna und Jenny doch funktioniert hatte. Jenny hatte offenbar erzählt, dass sie sich heraus geschlichen hatte. Ehrlich gesagt hätte ich liebend gerne Jennys Schmollgesicht gesehen. Blieb noch die Frage, woher ihre Mama gewusst hat, dass Jenny in der Factory war, wenn niemand es gepetzt hatte. Die Antwort war einfacher als ich erwartet hatte. „In der Factory gibt’s Webcams“ sagte sie. Dann erzählte sie, dass sie den Verdacht schon so wie so hatte und Jenny mit meiner Jacke eben aufgefallen war wie eine Nonne am Nacktbadestrand.

Ich bat sie noch mit Anna zu reden. Denn ich wollte das einfach klarstellen. „sorry süße, aber ein guter Zauberer verrät seine Tricks nicht“ sagte sie. Dann setzte ich ein bisschen mein Hundegesicht auf. Schließlich versprach sie, es sich zu überlegen. Offenbar hatte ich mit meiner Strategie Erfolg, denn am nächsten Tag sagte Anna zu mir in der Schule: „du ich muss mich entschuldigen“ es klang etwas zaghaft, aber genau das zeigte mir, dass Anna es ernst meinte.

Aus dem gemeinsamen Wochenende, auf das ich mich danach schon so gefreut hatte, wurde dann aber doch nichts. Ich hatte einfach nicht damit gerechnet, dass unsere Kunstlehrerin Frau Schmidt Szibulsky unseren Eltern blaue Briefe geschickt hatte. Besonders unfair fand ich, dass meine Mama der Meinung war, dass Anna einen schlechten Einfluss auf mich hatte, war ich es doch schließlich, die sie überredet hatte, blau zu machen. noch mehr leid tat mir die arme Anna, denn ihre Mama gab jetzt ihr die Schuld daran, dass Jenny abgehauen war, da sie sich wie ihre Mama glaubte, weggeschlichen hatte, während Anna nicht da war.

Es fiel mir schwer, aber ich hatte das Gefühl, dass ich am besten alles gestehen sollte. Den Anfang machte ich damit, dass ich Anna überredet hatte, mit ins Freibad zu kommen. Außerdem erzählte ich ihrer Mama wie das wirklich war mit Jenny war. ich wollte nicht gleich sagen, dass ich Anna geraten hatte, Jenny wegzulassen. Deswegen erzählte ich es ihr so wie ich das gesehen hatte. Ich hoffte auf ein Wenig Verständnis. Aber sie sagte nur: „Süße, du solltest meine große doch kennen, so was kannst du bei der nicht bringen und erwarten, dass sie es versteht.“ Eigentlich hatte sie ja Recht. Blieb nur zu hoffen, dass unsere Freundschaft das überleben würde. Ich musste einsehen, dass ich, auch wenn wir beide Mist gebaut hatten, ich den meisten gebaut hatte.